Rechtsextreme Wahlerfolge in der EU können laut ifo-Präsident Clemens Fuest gemeinsames Handeln bei der Verteidigung, der Migrationspolitik oder der Handelspolitik untergraben. „Hier kann Europa nur erfolgreich sein, wenn die Bereitschaft besteht, nationale Interessen gelegentlich zurückzustellen und zu kooperieren. Fairerweise muss man allerdings sagen, dass die EU auf diesem Gebiet schon bislang nur sehr begrenzte Erfolge vorzuweisen hat“, sagte er am Dienstag in Dresden.
Innerhalb der Eurozone könnten sich die Konflikte in der Schuldenpolitik verschärfen. Die sehr hohe Verschuldung in Frankreich und Italien berge Konfliktpotenziale. Die Reaktion an den Kapitalmärkten heute – Anstieg der Zinsdifferenzen zwischen Deutschland einerseits und Frankreich und Italien andererseits – zeige, dass die Investoren dieses Risiko sähen.
Fuest ergänzte: „Die Dominanz radikaler Parteien wie AfD oder BSW in den ostdeutschen Bundesländern verdüstert deren wirtschaftliche Perspektiven, auch wenn diese Resultate nicht ohne weiteres auf Landtagswahlen übertragbar sind. Die Verluste der Grünen und die Schwäche der SPD werden die Arbeit der Ampel weiter erschweren. Man kann davon ausgehen, dass die Koalitionsparteien sich nun auf den nahenden Bundestagswahlkampf konzentrieren. Größere wirtschaftspolitische Reformen für den Wirtschaftsstandort sind wohl nicht mehr zu erwarten.“
Fuest will das Ergebnis aber nicht als ein Scheitern der Ampelregierung bei ihrer Wirtschaftspolitik verstanden wissen. „In dieser Pauschalität würde ich das nicht teilen. Ein Problem besteht sicherlich darin, dass die Ampelregierung nicht den Eindruck erweckt, eine überzeugende und gemeinsame wirtschaftspolitische Strategie zur Bewältigung der anstehenden ökonomischen Herausforderungen zu haben. Man kann das Ergebnis sicherlich auch dadurch erklären, dass viele Menschen die Art und Weise der Transformation der Wirtschaft ablehnen, wie die Grünen sie vertreten.“
Die deutsche Wirtschaftspolitik brauche eine überzeugende Strategie, wie sie mit großen Herausforderungen umgehen will, etwa dem demographischen Wandel, der Digitalisierung, der Klimaerwärmung und der Umweltzerstörung. Dazu gehöre eine ehrliche Bestandsaufnahme. Wer der Bevölkerung erzähle, Dekarbonisierung in Deutschland würde nichts kosten, einen Wirtschaftsboom mit sich bringen oder Flutkatastrophen verhindern, müsse sich nicht wundern, wenn das Vertrauen schwinde. Ähnliches gelte für die Verteidigungslasten und den Ukrainekrieg oder die Folgen der Alterung der Bevölkerung für die sozialen Sicherungssysteme. „Gleichzeitig sollte man Mut statt Angst machen und darlegen, welche Wege es gibt, das Notwendige bestmöglich umzusetzen.“
Fuest erwartet auch Veränderungen am Green Deal auf europäischer Ebene: „Er wird in der bisherigen Form wohl nicht weitergeführt. Für den Wirtschaftsstandort kann das positiv sein, sofern übermäßig bürokratische und ineffektive Teile des Green Deal zurückgenommen werden, etwa die Regeln für nachhaltige Finanzen oder die Vorgaben für die Berichterstattung zur Nachhaltigkeit“, sagte er am Dienstag in Dresden. „Es können aber auch Nachteile entstehen, wenn effiziente Instrumente wie etwa der CO2-Preis zurückgedrängt werden. Erhebliche Nachteile könnten sich ergeben, wenn es zu Einschränkungen des Binnenmarktes kommt, oder Uneinigkeit die Zusammenarbeit verhindert, z.B. bei der Verteidigung.“
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