Die thermische Verwertung als Waste-to-Energy-Lösung ist in Deutschland und Europa weit verbreitet und hat sich seit Jahrzehnten bewährt. Seit Dezember 2019 ebnet die brasilianische Regierung durch den Erlass eines Regierungsbeschlusses den Weg für Energiegewinnung aus festen Siedlungsabfällen durch sogenannte Waste-to-Energy (WtE) Anlagen.
„Laut der Analyse zur Umsetzbarkeit der Brasilianischen Vereinigung für Abfall-Energie-Rückgewinnung (ABREN) haben die brasilianischen Siedlungsabfälle trotz des hohen Feuchtigkeitsgehaltes von 60 Prozent ein vielversprechendes Potenzial für die Produktion von Biogas, Biomethan, Wasserstoff sowie elektrischer und thermischer Energie“ (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: Brasilien Abfall- und Recyclingwirtschaft, Zielmarktanalyse 2020, S. 51).
Das von der envitecpro GmbH Rostock entwickelte Projekt „Waste2Brazil“ wird vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) gefördert. Darin wurden die Ausgangsbedingungen sowie die Eignung thermischer Verwertungsverfahren nach deutschem Standard für Krankenhaus-, Industrie- und häusliche Abfälle zur dezentralen Nutzung von Strom und Prozesswärme in der brasilianischen Gemeinde Bento Gonçalves im Bundesstaat Rio Grande do Sul im Süden Brasiliens untersucht. Südlich der Gemeinde Bento Gonçalves in der Stadt Nova Santa Rita wird bereits eine Sortieranlage zur Aufbereitung von Industrieabfall durch den Kooperationspartner Abfallzweckverband proamb betrieben. Es wird eine Ersatzbrennstofffraktion erzeugt, deren thermische Verwertung in vier Zementfabriken erfolgt. Diese liegen überwiegend mehrere hundert Kilometer von der Sortieranlage entfernt. Für eine ökonomisch und ökologisch sinnvolle Verwertung sollten die produzierten Ersatzbrennstoffe dezentral in der Nähe der Aufbereitungsanlage verwertet werden. Dies generiert Arbeitsplätze und eine Wertschöpfung vor Ort. Mit der Errichtung einer solchen Waste-to-Energy-Anlage soll am Standort Bento Gonçalves ein für Brasilien und Südamerika vorbildliches Projekt für die Entwicklung eines nachhaltigen Geschäftsmodells zur Erzeugung umweltfreundlicher Energie entstehen.
Seit Projektbeginn im Herbst 2020 wurde auf Grundlage einer umfassenden Datenerhebung zum Stand der Abfallwirtschaft in Bento Gonçalves mittels der Erarbeitung eines Fragenkatalogs sowie der Durchführung einer zweistufigen Abfallsortieranalyse ein Konzept für eine thermische Abfallbehandlung nach deutschem / europäischem Standard durch die Projektpartner Dornier Construction and Service GmbH, proamb, UNIVATES, envitecpro GmbH und BN Umwelt GmbH erarbeitet und durchgeführt. Hierfür wurden sowohl die technischen, ökologischen, ökonomischen, administrativen als auch juristischen Aspekte für eine Waste-to-Energy-Lösung untersucht. Der Bau einer solchen Anlage bzw. die Etablierung dieser Technologie in Brasilien setzt perspektivisch Synergien diverser Stakeholder frei. Neben der Verwertung der heizwertreichen Fraktion aus dem Siedlungsabfall wurden auch Industrieabfälle mit einbezogen. Dies ermöglicht es den Projektpartnern der regionalen Abfallwirtschaft, weitere Fraktionen an Industrieabfällen aus der linearen Abfallwirtschaft heraus zu lösen und einer sicheren und umweltschonenderen Verwertung zuzuführen. Durch die Nutzung von Abfällen aus dem Gesundheitswesen als Sekundärbrennstoff können die aktuell hohen Kosten für die Sterilisation drastisch gesenkt werden. Ergänzend zur Waste-to-Energy-Anlage wurde ein Konzept für eine mechanische oder mechanisch-biologische Vorbehandlung erarbeitet, die es ermöglicht, weitere Fraktionen zur Verwertung zu nutzen und das Abfall- /Deponievolumen weiter zu reduzieren. Die Ergebnisse der Untersuchung dienen als Grundlage für Anschlussprojekte, z. B. für die Planung und Umsetzung einer Verwertungsanlage gemeinsam mit deutschen Unternehmen. Das Konzept für den Standort Bento Gonçalves soll als Vorbildprojekt auf andere Bundesstaaten in Brasilien und weitere Länder in Südamerika übertragen werden.
Parallel zur Bearbeitung des Konzepts wurden die lokalen Zielgruppen (Landesregierung RS, Kommunalverbände, Unternehmen, Universitäten, Bevölkerung) während der Projektreise im Oktober 2022 durch envitecpro intensiv in Vorträgen und Gesprächen über das Projekt informiert und zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft beraten, um so die Vorteile der technischen Lösung zu vermitteln. Des Weiteren führten proamb und envitecpro gemeinsam Veranstaltungen zur Umweltbildung mit Schülerinnen und Schülern in Bento Gonçalves durch, um junge Menschen für den lokalen Umweltschutz zu begeistern.
Die Ergebnisse des Projektes und das Konzept werden im Mai 2023 auf der Umwelttechnologiemesse Fiema Brasil in Bento Gonçalves von den Projektpartnern vorgestellt. Dort wird auch der Abschlussworkshop mit allen Projektbeteiligten stattfinden.
Foto: Fundação Proamb, BN Umwelt GmbH
Redaktion: Helmut Strauß